Das heutige polnische Wroclaw, das einstige Breslau oder Wratislavia, ist für den Espresso-Freund allemal eine Reise wert. Das gilt auch für diejenigen, die die Festivitäten zum 1000 jährigen Stadtjubiläum verbunden mit dem Titel Europäische Kulturhauptstadt 2017 – vielleicht sogar bewusst – vermieden haben. Das touristische Programm kann man gut entlang der von Zeit Online beschriebenen Route abdecken.
Frühstück ohne Espresso
Ehrlicherweise ist einzuräumen, dass beim Breslau-Kurztrip die Mensa im Schatten der alten Jesuitenschule und Leopoldina Uni das interessanteste Frühstück bietet – sieben Tage die Woche, immer früh auf mit studentischen Preisen für jedermann. Doch der dort angebotene Espresso ist so schlecht, dass man ihn mit einem Warnhinweis versehen sollte. Kaffee in kleiner Tasse dürfte die beste Beschreibung sein.
Also lieber zu Fuß quer durch die Innenstadt zum Cafe Bike, das leider bei Tripadvisor nicht so gut abschneidet. Geht es allerdings nur um den Espresso vergebe ich für Geschmack und Crema 4 und 4 (von 5) Punkten. Man sitzt eng, die Bedienung war freundlich und das nächste Mal werde ich dort auch ein Frühstück probieren.

Cafe Bike ist ein Muss
Das Cafe Bike liegt übrigens am Anfang der Świętego Antoniego, dem Beginn des Vier-Kirchen-Viertels. Von hier aus kann man über eine kleine Gasse auch direkt zur Synagoge zum Weißen Storch laufen, die als Gebäude den Nazi-Terror überstanden hat. Läuft man die Świętego Antoniego weiter entlang, folgt gleich das Central Cafe. Der Espresso bekommt hier 3 und 3, also solides Handwerk. Allerdings sind die dazu gereichten salzigen und süßen Snacks, Bagels und Quiche, inklusive einem frischen Himbeertee mit Minze auch ein guter Grund zum Besuch. Noch ein paar Meter weiter auf der anderen Straßenseite hat gerade die Espresso-Bar eröffnet. Das ist alles noch ganz neu und nicht eingespielt, die dreiarmige Handhebelmaschine ist jedoch ein echter Hingucker.


Röster in Breslau
Die Rösterei Cafe Borowka mit seinem Label Blueberry Roasters lässt einen äthiopischen Arabica aus der Maschine, geschmacklich ein 4 mit etwas schwächerer Crema. Allerdings sieht man anders als bei den meisten deutschen Röstern keine Spur von Rösttrommel oder dem ganzen handwerklichen Flair. Ungewohnt ist auch, dass hier wie in allen anderen Cafes – außer dem Bike – an der Theke bestellt und bezahlt wird. Man fühlt sich immer ein bisschen wie in einer Fastfood-Stube. Egal, ob man vor dem Cafe hockt, im ersten Stock ein Plätzchen ergattern kann oder bei Sonne auf dem Dach auf die alte Oper oder den alten Jugendstil-Einkaufspalast in der Abendsonne schaut – es sitzt sich ausgezeichnet.



Im Gniazdo – auch da wurde serviert – war der ausgeschenkte Espresso akzeptabel mit schwacher Crema. Dass er doch besser schmeckte als er aussah, spricht wohl für eine lieblose Zubereitung, zu grob gemahlen oder Maschine mit schlappen Druck. Das Cafe Rozrusznik liegt ein paar Minuten von der Dominsel im Norden der Altstadt. Auch hier keine Spur von einem Röstbetrieb, dafür ein ziemlich guter Espresso.


Ziemlich abgedreht schaut es in der Galerie und Cafe Kalaczakra aus. Man fühlt sich in diesem Ambiente aus Flowerpower und esoterischem Tibetzeugs in eine andere Welt versetzt. Der erste Espresso hat allerdings mein Espresso- Chakra zum Leben erweckt: Dunkel, ordentliche Crema und stark geröstete Bohnen mit Geschmack, dafür hat sich der Besuch gelohnt. Leider hat der zweite Espresso ausgeschaut wie in der Mensa, der wurde gar nicht angerührt.
Erwähnenswert ist das Jugendstilgebäude, in dem sich rechts das Kalaczakra befindet. Nebendran ist das Cafe Kalambureau oder Kalambur, eigentlich eher ein Klub, das einst aus der Theaterszene gegründet wurde. Ob die vom Kalaczakra mitbedient werden, war nicht zu erkennen. Immerhin kann man dort abends im Nebel der Zigarettenraucher von früheren Zeiten träumen. Ein paar Schritte weiter findet man noch das FC Caffe – auch da braucht man nicht hin.



Breslau im Echtbild
Für Tassen-Sammler ist Breslau ein kleines El Dorado.







